Greece must die (….so that we can live) [de]

Ein Artikel über den Aufstieg des Nationalismus in Griechenland, unsere Erfahrungen und politische Praxis dagegen, Februar 2013

In griechischen und internationalen Medien hat eine Debatte über den Aufstieg des Nationalismus im geographischen Raum, genannt Griechenland, stattgefunden. Zugegebenermaßen, hat es einen Anstieg des Nationalismus in dem geographischen Gebiet des südlichen Balkans gegeben, aber was uns besorgt ist, dass die Analysen und Teilnehmer_innen der relevanten Debatten sich erst vor wenigen Monaten auf das Phänomen bezogen haben. Nichtsdestotrotz machen wir das Phänomen des Aufstieg des Nationalismus in Griechenland irgendwo zwischen den 1820er und 1830er Jahren aus. Übertreibung ist ein schlechter Ratgeber, um also etwas Ruhm für unsere Position zu ernten, müssen wir euch daran erinnern, dass die griechische Nationalhymne ein Gedicht ist, das die erste Massenabschlachtung von Ausländern feiert (30 000 Muslime und Juden türksicher Herkunft in der Eroberung der Stadt Tripolis). Während der Jahre der “Befreiung” von den Türken fand diese im griechischen geographischen Gelände statt. Wir könnten an dieser Stelle auf weitere Vorfälle eingehen, bei denen sogenannte “Griechen” im Namen des brandneuen Nationalstaates gemordert haben um ihre Grenzen zu erweitern und/oder nur aus Spaß.

Doch werden wir uns auf entscheidende Elemente des griechischen Nationalismus in Beziehung zu Anderen beschränken, um euch ein konkreteres Bild liefern zu können.

A) Die Opferrolle der Griechen: ein neustes Beispiel von den 2000er Jahren ist, dass sich die Griechen in den meisten Umfragen als Inhaber_innen der Gastfreundschaft ansehen. Filoxenia ist letzlich ein weiterer nationaler Mythos, den sie nur zu gern glauben würden und meint wörtlich übersetzt „Ausländer zu lieben“. Gleichzeitig argumentieren die Griechen in sehr kleinen Umfragen, dass alle Ausländer Griechenland verlassen sollten, da Ausländer- darunter hauptsächlich Migrant_Innen- die angesprochende Gastfreundschaft ausnutzen würden und darüber hinaus die Griechen in ihrem eigenen Land in die Opferrolle drängen. Natürlich ist die selbst auferlegte Opferrolle ein sehr viel entscheidenderes Element im griechischen Nationalismus und weist gewissermaßen eine historische Kontinuität auf.
Griechenland wird bei der Vorstellung angegriffen zu werden zunehmend aggressiver, entweder von Staaten mit weniger Macht (Bsp. Türkey, Bulgarien) oder Super-Mächte (v.a. USA). Auf diese Weise zeigen sich Verschwörungstheorien neben nationalistischen Erzählweisen in der täglichen Anwendung nationaler Rhetorik.

B) Auf Homogenität beharren: Griechenland besteht vermutlich zu 97% aus Christlich Orthodoxen und eine der größten Sorgen des Staates ist die Erhaltung der national-religiösen Integrität und Homogenität. Offensichtlich werden griechische Juden, aber auch die wenigen griechischen Katholiken oder Muslime nicht als 100% griechisch angesehen oder überhaupt nicht als Griechen betrachtet. Ein weiteres Beispiel zeigt Folgendes: obwohl Tausende Immigrant_Innen heutzutage in Griechenland leben,gibt der Staat zusammen mit den orthodoxen Kirchen sein Bestes , um den Bau einer Moschee in Athen zu verzögern. Darüber hinaus wird die nationale Erzählung des Bevölkerungsproblem Griechenlands “dimografiko” regelmäßig in den Parlamenten und Massenmedien verbreitet.

Das Problem besteht darin, dass Griechen eine sehr viel niedrigere Geburtenrate als die Migrant_Innen oder Türken haben!

C) Die 3000 jährige Kontinuität der griechischen Zivilisation: Griechen glauben-das ist die offizielle nationalstaatliche Erzählung- dass von 1821 an, also die frühen Jahre des griechischen Staates nichts anderes als die dritte Periode der Gegenwart des historischen “Volkes” der Griechen und ihrem Staat ist. Die erste Periode kann vermutlich bis zum antiken Athen zurückverfogt werden, während die zweite Periode in der byzantischen Zivilisation liegt, was offensichtlich die Fortsetzung des römischen Reiches ist. So erklärt sich eine große Sorge der Griechen, die in dem Beweis liegt, dass Alexander der Große durch griechisches Sperma gezeugt wurde (und nicht slawisches!). Somit wird ersichtlich, warum die griechische Bevölkerung so viel Wert darauf legt, ihre Abstammung zu belegen: durch einen seit 2000 Jahren toten Mann.

Wir glauben, schon eine bestimmte Art und Weise unserer politischen Sichtweise enthüllt zu haben. So wollen wir die Geschichte in unseren politischen Einschätzungen, Analysen und Aktivitäten erfassen. Wir legen viel Wert darauf, weil es in dem geographischen Raum, in dem wir leben nicht üblich ist. Ein gewisser Gedächtnisverlust oder selektive Amnesie sind nötige nationale Charakteristika in diesem Land , ganz gleich ob man sich mit den Massenmedien oder alternativen/subversiven Medien auseinandersetzt.

Dies ist der Hauptgrund, warum man heutzutage von dem Aufstieg des Nationalismus in Griechenland reden kann. Eine Person, die dieses Diskussionsthema heute “entdeckt”, scheint zu vergessen, sei es unbewusst oder eine bewusste Entscheidung, dass Nationalismus (und Faschismus und Rassismus) und Griechenland seit Jahren eine abenteuerliche Affäire haben. In dieser langen und abenteuerlichen Geschichte sollten wir uns auf die letzten zwanzig Jahre dieser glücklich verbrachten griechischen Existenz konzentrieren, um euch ein genaueres Bild davon zu geben, wie die Griechen ihre nationale Gemeinschaft geniessen. Unser Schwerpunkt der letzten 20 Jahre ist mit großen Verschiebungen in der griechischen Gesellschaft verbunden. Eine davon ist der massive Zustrom von Migrant_Innen aus Osteuropa während der frühen 90er Jahre. In dieser Zeit und bis in die jüngste Vergangenheit hinein lautete die Hauptdevise im griechischen öffentlichen Diskurs “Griechen sind keine Rassisten” und eine ähnliche Version “Griechen waren keine Rassisten bis die Ausländer gekommen sind!”. Tatsächlich ist Griechenland ein Land, in dem ethnische und religiöse Minderheiten entweder gewalttätig “hellenisiert” , unterdrückt, wenn möglich ausgewiesen, oder im Falle der Juden vernichtet (86% der griechischen Juden sind im Holocaust gestorben) werden.
Als Albaner, Bulgaren und Andere nach Griechenland gekommen sind, hatten die Griechen schon Erfahrungen im Umgang mit den “Anderen”, wie sich in den anti-albanischen Pogromen gezeigt hat. Diese fanden 2004 in ganz Griechenland statt (ein Toter, 300 Verletzte Albanen in der Nacht des 4. September). Einmal mehr wurden Rassismus und Griechenland ihrer jahrelangen Beziehung gerecht.

Nichtsdestotrotz hat es seit 2006 einen Wandel gegeben, aber dieser Wandel sollte nicht“Aufstieg des Nationalismus” genannt werden, da dies impliziert, dass der Nationalismus die vergangenen Jahre geruht hätte. Die Jahre nach den Dezember Aufständen können als anhaltende Aufstandsbekämpfung bezeichnet werden. Mit der Kathimerini Zeitung in Zusammenhang gebrachte rechte Professoren versuchten die Dezember Aufstände als letzten Ausdruck einer dominaten Kultur der Anomie und Gewalt zu verklären, welche man mit der nicht vorhandenen Hegenomie der Linken oder im extremeren Fall der Demenz einer Ottoman-Orientalen Natur der griechischen Gesellschaft und seiner Verweigerung der Modernisierung zusgeschrieben hat.

Umgehend nach dem “Skandal” der Dezember Aufstände kämpften Schüler_Innen zusammen mit Sans-Papier Migranten und Fußball-Hooligans, eine zweite Welle von Protesten und Aufständen der muslimischen Migranten folgte, nachdem ein griechischer Polizist den Koran zerrissen hatte. Die Agenda des rechten Flügels wurde daher mit anti-Islamischer Rhetorik verstärkt, was seine eigenen tiefen Wurzeln in der griechischen Gesellschaft findet.
Gegen diese gänzlich vergiftete Atmosphäre begannen im März 2011 300 Migrant_Innen aus Maghreb einen Hungerstreik und verlangten die Legalisierung nicht nur für sich selbst sondern für alle Migranten. Nicht lange nach dem Ende des Hungerstreiks demonstrierten die Griechen ihre Macht durch einen blutigen Pogrom gegen Migranten im Zentrum von Athen (Ein Toter, hunderte Verletzte). Während dieser Tage im Mai 2011, begannen die Faschisten mehr und mehr Menschen des rassistischen Mobs, der im Zentrum von Athen lebt, zu rekrutieren Der Pogrom war wieder einmal prinzipiell gegen Muslime und dann gegen afrikanische Migrant_Innen gerichtet. Der Druck auf die Migrant_Innen wurde erhöht, die Polizei machte gemeinsame Sache mit dem Mob. Im Stadtzentrum nahmen Durchsuchungen und Kontrollen basierend auf der Hautfarbe der Migrant_Innen zu. Es soll erwähnt sein, dass die gewalttätigen Angriffe, von denen dutzende eigentlich Messerstechereien waren, zur gleichen Zeit stattfanden, zu der sich die “glorreiche Bewegung” der Empörten auf dem Syntagma Platz formiert hat. In die Quere sind sie sich nicht gekommen, obwohl die Attacken nur einen Kilometer entfernt waren.

Mit der Bewegung der Empörten, ging die griechische Politik einen Schritt auf die goldene Morgenröte zu. Nicht in der Weise, dass die goldene Morgenröte eine bestimmte extreme politische Fraktion repräsentiert, die einige Menschen beeinflusst, eine Mehrheit etc .

Wir glauben, dass Populismus, Verschwörungen, die Übertragung von individuellen Gedanken und Verantwortlichkeiten auf die “Gurus” (Ökonomen) der Bewegung, die Missgunst für die griechische Krise, die sich auf die “Ausländer” überträgt (IMF, Europäer, Deutsche,etc) die generell ausschließende Einstellung gegenüber Migrant_Innen, die Ansicht, dass die Krise national gedeutet und begriffen werde solle, die Abwehrhaltung bis zur Ablehnung von Privilegien, kleinbürgerlich oder nicht, existierte bereits lange Zeit vor dem Auftreten der Krise. All diese Grundbestandteile stinken nach griechischem Faschismus , auf einer sozialen und molekularen Ebene.

Populismus ist ein Meer von Deutungen, in dem Faschisten leichter schwimmen. Dieses Spiel wurde in sehr schmutzigem Wasser gespielt, nicht in offiziellen Programmen der einen oder anderen Partei oder Organisation. Parteiprogramme, so wie Parteien an sich, waren bei den Empörten nicht gerade hoch im Kurs. Politik im formalen Sinne wurde abgelehnt, wenigstens bis zur nächsten Wahl. Anarchist_Innen, zumindest die miserabelsten unter ihnen, die sogenannten “sozialen” Anarchist_Innen fielen auf diese , “direkte Demokratie” Art des sozialen Faschismus herein, in dem sie der Syntagma “Wäsche” noch etwas rot-schwarze Farbe hinzufügten. Es war also in dieser Zeit schwierig, in den Programmen von Teilnehmer_Innen der Bewegung etwas buchstäblich rassistisches auszumachen.

Die Empörten selbst hatten kein Gesamtprogramm. Ein Jahr später, als die Wahlen bevorstanden, beteiligten sich die lokalen Stars des Syntagma Platzes an den Wahlen, wie der hoch geschätzte Dimitris Kazakis, ein weiterer Ökonomie-Guru der Bewegung und machten das Ganze konkreter: Herr Kazakis machte für die Wahlen gemeinsame Sache mit einem rechten Politiker und unterbreitete in dem Pamphlet der Vorwahlen, dass die Juden in Griechenland endlich besteuert werden müssten, so dass die Griechen das Memorandum des IWF vermeiden könnten. Natürlich sind die griechischen Juden bereits besteuert, aber ihr müsstet mittlerweile wissen, dass kein Antisemit mit rationalen Argumenten bekämpft werden kann, besonders wenn dieser von Tausendenden bejubelt wird. Bei den Wahlen konnten Herr Kazakis und seine Partei 60.000 Stimmen gewinnen, eigentlich nicht viele, aber dies ist auch ein Ergebnis der Mehrfachteilung der Stimmen des rechten Flügels in bestimmte Wahlen (das andere Bündnis bestand aus unabhängigen Griechen: 670.000 Stimmen, Neonazis: 440.000 Stimmen, orthodoxer Volksalarm 90.000 Stimmen, während ein Großteil der Griechen des rechten Flügels traditionell die konservative Nea Dimokratia Partei wählte (1.800.000), welche am Ende die Führung der gegenwärtigen Regierung übernommen hat.

Man kann den Griechen vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht großzügig mit ihren Idolen und ihrer Avantgarde umzugehen… Wir glauben das ist der Grund, warum wir jetzt die Neonazis der Goldenen Morgenröte mit einer Belohnung (für ihre Beteiligung am Pogrom) von 7% in den nationalen Wahlen vom Mai/Juni 2012 sehen und einem stabilem Platz im nationalen Parlament.

Die Idee ist also, dass die Goldene Morgenröte nur ihr aktivistisches Potential und ihre Handlungen der letzten fünf Jahre ausnutzt. Allerdings lässt sich der Rassismus und Nationalismus entsprechend der Goldenen Morgenröte nicht verstehen, da nur ein sehr geringer Teil von Rassisten in der griechischen Gesellschaft der Swastika folgt (nur 7%!). Der Rest findet Glaube und Zuneigung in der warmen nationalistischen Umarmung sogenannter traditioneller Parteien. Lasst uns nicht vergessen, dass natürlich abgesehen von der halben Million Griechen, die für die Neonazis gestimmt haben, in Wahlen vom Mai/Juni 2012 eine weitere offen rechte Partei aufgetaucht ist (zum ersten Mal!) und ebenfalls eine halbe Million Wählerstimmen erhalten hat! Es war die Partei der “Unabhängigen Griechen”, welche Probleme der nationalen Unabhängigkeit und Sicherheit thematisiert (das schließt die anti-immigrantische Agenda mit ein ).

Es ist wohl aus dem Vorangegangen ersichtlich, dass die griechische Erfahrung eine einmalige ist. Also wenn jemand den täglichen Höllenritt wagen möchte, sollte Exarcheia bei einem Besuch Griechenlands vermieden werden. Stattdessen besser das große Gebiet des Zentrums zwischen der Liosion Straße und der Patision Straße entlang gehen und dann vom Omonoia Platz in Richtung Ano Patisia. In diesem Gebiet leben viele Immigrant_Innen und dort kann ein/e Besucher_In regelmäßig unzählige Polizeistreifen sehen (in der Acharnon Straße haben wir im Frühling 2011 einen Polizeiwagen beobachtet, der alle paar Sekunden aufgetaucht ist). Tausende Immigrant_Innen sind gezwungen, unter den demütigensten Bedingungen zu leben, in einem Zustand enormer Angst vor den Polizei und manchmal auch dem griechischen Mob. Dieser “Kriegszustand” wird auch Besucher von Auswärts betreffen- sollte er oder sie etwas griechisch beherrschen und im Zentrum in einen Bus steigen. Dort kann eine moderne Apartheid beobachtet werden, bei der die “Nicht-Griechen” instinktiv die hinteren Reihen des Busses besetzen. Wir würden soweit gehen und sagen, dass es unmöglich ist, irgendeine Form der öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, besonders die sogenannten “Busse des Hasses” ,ohne dass man Gespräche zwischen Griechen mitverfolgen muss, in denen sich über die Notwendigkeit unterhalten wird, “die” (Migranten) dahin zu schicken, wo sie hergekommen sind”. Manchmal werden Besucher sogar in Exarcheia miterleben, wie Ausländer gejagt werden, einige sind afrikanischer Herkunft oder üblicherweise Albanen (um die Jagd mit anarchistischen Kriterien zu vereinbaren, nennen diese Anarchist_Innen die Albanen “Drogenmafia”- in Unterhaltungen mit griechischen Anarchist_Innen werden sie auch als “albanische Mafia” bezeichnet.

Als Gegenmittel zu diesen vergifteten Erfahrungen scheinen unsere wenigen praktischen Antworten auf die griechische Gewalt kaum erfolgsversprechend zu sein. In einer Umgebung, in der die radikale Szene auch mit rassistischen Stereotypen oder sogar Angriffen auf Ausländern kompatibel ist, sind die Möglichkeiten potentieller politischer Bündnisse immer beschränkter. Nicht weil wir unseren Standard geändert hätten, sondern weil sogar selbsternannte Antifaschist_Innen Gründe entdecken, den armen Griechen zu bemitleiden, der sich an der Theke keinen zweiten Drink bestellen kann und so weiter und so fort.

Wähle Nazis oder greif Migrant_Innen an. Ihr könnt euch vorstellen, dass es nich einfach ist, ein Bündnis mit jemandem einzugehen, der Mitleid für die soziale Schicht empfindet, die ihre Wähler_Innen aus Neonazis rekrutiert und dich danach abstechen will. Solche Bündnisse können nur von Griechen eingegangen werden, die sich keine Sorgen um das Überleben in Griechenland machen müssen. “Deutsche Solidarität mit Griechen” wie die M 31 Proteste sind der konsequente Versuch einer folkloristischen Idealisierung des Mobs mit patriotischen Molotov Cocktails und antisemitischem Gedankengut und das sind faktisch die Empörten und ihre anti-autoritären Freunde. Welcher Raum bleibt also übrig unter diesen entmutigenden Umständen? Bezieht man die wachsende politische Einsamkeit mit ein, so bleiben nicht viele Möglichkeiten für politische Interventionen. Wir konzentrieren uns auf die Schaffung eines Bewusstseins für den wachsenden Rassismus und Antisemitismus. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von vier Publikationen zu diesen Themen veröffentlicht. Vom letzten Jahr bis heute wurden tausende Plakate im Stadtzentrum und weiteren Nachbarschaften verteilt. Wir versuchen mit unserem Antifaschismus hauptsächlich Immigranten der zweiten Generation zu erreichen, weil wir das Gefühl haben, mit ihnen mehr teilen zu können, und wir wissen, dass unser “Antifaschismus” echter ist, weil er aus einer Notwendigkeit entspringt und nicht aus einem politischen Antagonismus mit den griechischen Faschisten, was auch immer dieses Wort bedeuten mag. Mit unserer politischen Agenda versuchen wir darüber hinaus, feministische und anti-homophobe Politik zu unterstützen, besonders wenn diese anschlussfähig an den gegenwärtigen Antikapitalismus und Antinationalismus ist.

Zum Beispiel fördern wir eine feministische Perspektive gegen die dominierende “macho Antifa” Einstellung, sei es durch das Publizieren von Texten oder durch die Entwicklung politischer Projekte, die eine konkretere Artikulation von den Problemfeldern Geschlechterverhältnisse und Nation anbieten.

Wie ihr vielleicht bereits festgestellen konntet, haben wir schon lange damit aufgehört, unsere Zeit mit der “Veränderung von Herzen und Gedanken” von denen zu verschwenden, die sich griechisch fühlen, entweder innerhalb der Szene oder außerhalb. Das ist der Grund, warum ihr neben unserem Gruppenlogo einen unserer neusten Slogans findet: “ Strengstens für Nicht-Griechen”!

Antifa Negative, February 2013Ein Artikel über den Aufstieg des Nationalismus in Griechenland, unsere Erfahrungen und politische Praxis dagegen, Februar 2013

In griechischen und internationalen Medien hat eine Debatte über den Aufstieg des Nationalismus im geographischen Raum, genannt Griechenland, stattgefunden. Zugegebenermaßen, hat es einen Anstieg des Nationalismus in dem geographischen Gebiet des südlichen Balkans gegeben, aber was uns besorgt ist, dass die Analysen und Teilnehmer_innen der relevanten Debatten sich erst vor wenigen Monaten auf das Phänomen bezogen haben. Nichtsdestotrotz machen wir das Phänomen des Aufstieg des Nationalismus in Griechenland irgendwo zwischen den 1820er und 1830er Jahren aus. Übertreibung ist ein schlechter Ratgeber, um also etwas Ruhm für unsere Position zu ernten, müssen wir euch daran erinnern, dass die griechische Nationalhymne ein Gedicht ist, das die erste Massenabschlachtung von Ausländern feiert (30 000 Muslime und Juden türksicher Herkunft in der Eroberung der Stadt Tripolis). Während der Jahre der “Befreiung” von den Türken fand diese im griechischen geographischen Gelände statt. Wir könnten an dieser Stelle auf weitere Vorfälle eingehen, bei denen sogenannte “Griechen” im Namen des brandneuen Nationalstaates gemordert haben um ihre Grenzen zu erweitern und/oder nur aus Spaß.

Doch werden wir uns auf entscheidende Elemente des griechischen Nationalismus in Beziehung zu Anderen beschränken, um euch ein konkreteres Bild liefern zu können.

A) Die Opferrolle der Griechen: ein neustes Beispiel von den 2000er Jahren ist, dass sich die Griechen in den meisten Umfragen als Inhaber_innen der Gastfreundschaft ansehen. Filoxenia ist letzlich ein weiterer nationaler Mythos, den sie nur zu gern glauben würden und meint wörtlich übersetzt „Ausländer zu lieben“. Gleichzeitig argumentieren die Griechen in sehr kleinen Umfragen, dass alle Ausländer Griechenland verlassen sollten, da Ausländer- darunter hauptsächlich Migrant_Innen- die angesprochende Gastfreundschaft ausnutzen würden und darüber hinaus die Griechen in ihrem eigenen Land in die Opferrolle drängen. Natürlich ist die selbst auferlegte Opferrolle ein sehr viel entscheidenderes Element im griechischen Nationalismus und weist gewissermaßen eine historische Kontinuität auf.
Griechenland wird bei der Vorstellung angegriffen zu werden zunehmend aggressiver, entweder von Staaten mit weniger Macht (Bsp. Türkey, Bulgarien) oder Super-Mächte (v.a. USA). Auf diese Weise zeigen sich Verschwörungstheorien neben nationalistischen Erzählweisen in der täglichen Anwendung nationaler Rhetorik.

B) Auf Homogenität beharren: Griechenland besteht vermutlich zu 97% aus Christlich Orthodoxen und eine der größten Sorgen des Staates ist die Erhaltung der national-religiösen Integrität und Homogenität. Offensichtlich werden griechische Juden, aber auch die wenigen griechischen Katholiken oder Muslime nicht als 100% griechisch angesehen oder überhaupt nicht als Griechen betrachtet. Ein weiteres Beispiel zeigt Folgendes: obwohl Tausende Immigrant_Innen heutzutage in Griechenland leben,gibt der Staat zusammen mit den orthodoxen Kirchen sein Bestes , um den Bau einer Moschee in Athen zu verzögern. Darüber hinaus wird die nationale Erzählung des Bevölkerungsproblem Griechenlands “dimografiko” regelmäßig in den Parlamenten und Massenmedien verbreitet.

Das Problem besteht darin, dass Griechen eine sehr viel niedrigere Geburtenrate als die Migrant_Innen oder Türken haben!

C) Die 3000 jährige Kontinuität der griechischen Zivilisation: Griechen glauben-das ist die offizielle nationalstaatliche Erzählung- dass von 1821 an, also die frühen Jahre des griechischen Staates nichts anderes als die dritte Periode der Gegenwart des historischen “Volkes” der Griechen und ihrem Staat ist. Die erste Periode kann vermutlich bis zum antiken Athen zurückverfogt werden, während die zweite Periode in der byzantischen Zivilisation liegt, was offensichtlich die Fortsetzung des römischen Reiches ist. So erklärt sich eine große Sorge der Griechen, die in dem Beweis liegt, dass Alexander der Große durch griechisches Sperma gezeugt wurde (und nicht slawisches!). Somit wird ersichtlich, warum die griechische Bevölkerung so viel Wert darauf legt, ihre Abstammung zu belegen: durch einen seit 2000 Jahren toten Mann.

Wir glauben, schon eine bestimmte Art und Weise unserer politischen Sichtweise enthüllt zu haben. So wollen wir die Geschichte in unseren politischen Einschätzungen, Analysen und Aktivitäten erfassen. Wir legen viel Wert darauf, weil es in dem geographischen Raum, in dem wir leben nicht üblich ist. Ein gewisser Gedächtnisverlust oder selektive Amnesie sind nötige nationale Charakteristika in diesem Land , ganz gleich ob man sich mit den Massenmedien oder alternativen/subversiven Medien auseinandersetzt.

Dies ist der Hauptgrund, warum man heutzutage von dem Aufstieg des Nationalismus in Griechenland reden kann. Eine Person, die dieses Diskussionsthema heute “entdeckt”, scheint zu vergessen, sei es unbewusst oder eine bewusste Entscheidung, dass Nationalismus (und Faschismus und Rassismus) und Griechenland seit Jahren eine abenteuerliche Affäire haben. In dieser langen und abenteuerlichen Geschichte sollten wir uns auf die letzten zwanzig Jahre dieser glücklich verbrachten griechischen Existenz konzentrieren, um euch ein genaueres Bild davon zu geben, wie die Griechen ihre nationale Gemeinschaft geniessen. Unser Schwerpunkt der letzten 20 Jahre ist mit großen Verschiebungen in der griechischen Gesellschaft verbunden. Eine davon ist der massive Zustrom von Migrant_Innen aus Osteuropa während der frühen 90er Jahre. In dieser Zeit und bis in die jüngste Vergangenheit hinein lautete die Hauptdevise im griechischen öffentlichen Diskurs “Griechen sind keine Rassisten” und eine ähnliche Version “Griechen waren keine Rassisten bis die Ausländer gekommen sind!”. Tatsächlich ist Griechenland ein Land, in dem ethnische und religiöse Minderheiten entweder gewalttätig “hellenisiert” , unterdrückt, wenn möglich ausgewiesen, oder im Falle der Juden vernichtet (86% der griechischen Juden sind im Holocaust gestorben) werden.
Als Albaner, Bulgaren und Andere nach Griechenland gekommen sind, hatten die Griechen schon Erfahrungen im Umgang mit den “Anderen”, wie sich in den anti-albanischen Pogromen gezeigt hat. Diese fanden 2004 in ganz Griechenland statt (ein Toter, 300 Verletzte Albanen in der Nacht des 4. September). Einmal mehr wurden Rassismus und Griechenland ihrer jahrelangen Beziehung gerecht.

Nichtsdestotrotz hat es seit 2006 einen Wandel gegeben, aber dieser Wandel sollte nicht“Aufstieg des Nationalismus” genannt werden, da dies impliziert, dass der Nationalismus die vergangenen Jahre geruht hätte. Die Jahre nach den Dezember Aufständen können als anhaltende Aufstandsbekämpfung bezeichnet werden. Mit der Kathimerini Zeitung in Zusammenhang gebrachte rechte Professoren versuchten die Dezember Aufstände als letzten Ausdruck einer dominaten Kultur der Anomie und Gewalt zu verklären, welche man mit der nicht vorhandenen Hegenomie der Linken oder im extremeren Fall der Demenz einer Ottoman-Orientalen Natur der griechischen Gesellschaft und seiner Verweigerung der Modernisierung zusgeschrieben hat.

Umgehend nach dem “Skandal” der Dezember Aufstände kämpften Schüler_Innen zusammen mit Sans-Papier Migranten und Fußball-Hooligans, eine zweite Welle von Protesten und Aufständen der muslimischen Migranten folgte, nachdem ein griechischer Polizist den Koran zerrissen hatte. Die Agenda des rechten Flügels wurde daher mit anti-Islamischer Rhetorik verstärkt, was seine eigenen tiefen Wurzeln in der griechischen Gesellschaft findet.
Gegen diese gänzlich vergiftete Atmosphäre begannen im März 2011 300 Migrant_Innen aus Maghreb einen Hungerstreik und verlangten die Legalisierung nicht nur für sich selbst sondern für alle Migranten. Nicht lange nach dem Ende des Hungerstreiks demonstrierten die Griechen ihre Macht durch einen blutigen Pogrom gegen Migranten im Zentrum von Athen (Ein Toter, hunderte Verletzte). Während dieser Tage im Mai 2011, begannen die Faschisten mehr und mehr Menschen des rassistischen Mobs, der im Zentrum von Athen lebt, zu rekrutieren Der Pogrom war wieder einmal prinzipiell gegen Muslime und dann gegen afrikanische Migrant_Innen gerichtet. Der Druck auf die Migrant_Innen wurde erhöht, die Polizei machte gemeinsame Sache mit dem Mob. Im Stadtzentrum nahmen Durchsuchungen und Kontrollen basierend auf der Hautfarbe der Migrant_Innen zu. Es soll erwähnt sein, dass die gewalttätigen Angriffe, von denen dutzende eigentlich Messerstechereien waren, zur gleichen Zeit stattfanden, zu der sich die “glorreiche Bewegung” der Empörten auf dem Syntagma Platz formiert hat. In die Quere sind sie sich nicht gekommen, obwohl die Attacken nur einen Kilometer entfernt waren.

Mit der Bewegung der Empörten, ging die griechische Politik einen Schritt auf die goldene Morgenröte zu. Nicht in der Weise, dass die goldene Morgenröte eine bestimmte extreme politische Fraktion repräsentiert, die einige Menschen beeinflusst, eine Mehrheit etc .

Wir glauben, dass Populismus, Verschwörungen, die Übertragung von individuellen Gedanken und Verantwortlichkeiten auf die “Gurus” (Ökonomen) der Bewegung, die Missgunst für die griechische Krise, die sich auf die “Ausländer” überträgt (IMF, Europäer, Deutsche,etc) die generell ausschließende Einstellung gegenüber Migrant_Innen, die Ansicht, dass die Krise national gedeutet und begriffen werde solle, die Abwehrhaltung bis zur Ablehnung von Privilegien, kleinbürgerlich oder nicht, existierte bereits lange Zeit vor dem Auftreten der Krise. All diese Grundbestandteile stinken nach griechischem Faschismus , auf einer sozialen und molekularen Ebene.

Populismus ist ein Meer von Deutungen, in dem Faschisten leichter schwimmen. Dieses Spiel wurde in sehr schmutzigem Wasser gespielt, nicht in offiziellen Programmen der einen oder anderen Partei oder Organisation. Parteiprogramme, so wie Parteien an sich, waren bei den Empörten nicht gerade hoch im Kurs. Politik im formalen Sinne wurde abgelehnt, wenigstens bis zur nächsten Wahl. Anarchist_Innen, zumindest die miserabelsten unter ihnen, die sogenannten “sozialen” Anarchist_Innen fielen auf diese , “direkte Demokratie” Art des sozialen Faschismus herein, in dem sie der Syntagma “Wäsche” noch etwas rot-schwarze Farbe hinzufügten. Es war also in dieser Zeit schwierig, in den Programmen von Teilnehmer_Innen der Bewegung etwas buchstäblich rassistisches auszumachen.

Die Empörten selbst hatten kein Gesamtprogramm. Ein Jahr später, als die Wahlen bevorstanden, beteiligten sich die lokalen Stars des Syntagma Platzes an den Wahlen, wie der hoch geschätzte Dimitris Kazakis, ein weiterer Ökonomie-Guru der Bewegung und machten das Ganze konkreter: Herr Kazakis machte für die Wahlen gemeinsame Sache mit einem rechten Politiker und unterbreitete in dem Pamphlet der Vorwahlen, dass die Juden in Griechenland endlich besteuert werden müssten, so dass die Griechen das Memorandum des IWF vermeiden könnten. Natürlich sind die griechischen Juden bereits besteuert, aber ihr müsstet mittlerweile wissen, dass kein Antisemit mit rationalen Argumenten bekämpft werden kann, besonders wenn dieser von Tausendenden bejubelt wird. Bei den Wahlen konnten Herr Kazakis und seine Partei 60.000 Stimmen gewinnen, eigentlich nicht viele, aber dies ist auch ein Ergebnis der Mehrfachteilung der Stimmen des rechten Flügels in bestimmte Wahlen (das andere Bündnis bestand aus unabhängigen Griechen: 670.000 Stimmen, Neonazis: 440.000 Stimmen, orthodoxer Volksalarm 90.000 Stimmen, während ein Großteil der Griechen des rechten Flügels traditionell die konservative Nea Dimokratia Partei wählte (1.800.000), welche am Ende die Führung der gegenwärtigen Regierung übernommen hat.

Man kann den Griechen vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht großzügig mit ihren Idolen und ihrer Avantgarde umzugehen… Wir glauben das ist der Grund, warum wir jetzt die Neonazis der Goldenen Morgenröte mit einer Belohnung (für ihre Beteiligung am Pogrom) von 7% in den nationalen Wahlen vom Mai/Juni 2012 sehen und einem stabilem Platz im nationalen Parlament.

Die Idee ist also, dass die Goldene Morgenröte nur ihr aktivistisches Potential und ihre Handlungen der letzten fünf Jahre ausnutzt. Allerdings lässt sich der Rassismus und Nationalismus entsprechend der Goldenen Morgenröte nicht verstehen, da nur ein sehr geringer Teil von Rassisten in der griechischen Gesellschaft der Swastika folgt (nur 7%!). Der Rest findet Glaube und Zuneigung in der warmen nationalistischen Umarmung sogenannter traditioneller Parteien. Lasst uns nicht vergessen, dass natürlich abgesehen von der halben Million Griechen, die für die Neonazis gestimmt haben, in Wahlen vom Mai/Juni 2012 eine weitere offen rechte Partei aufgetaucht ist (zum ersten Mal!) und ebenfalls eine halbe Million Wählerstimmen erhalten hat! Es war die Partei der “Unabhängigen Griechen”, welche Probleme der nationalen Unabhängigkeit und Sicherheit thematisiert (das schließt die anti-immigrantische Agenda mit ein ).

Es ist wohl aus dem Vorangegangen ersichtlich, dass die griechische Erfahrung eine einmalige ist. Also wenn jemand den täglichen Höllenritt wagen möchte, sollte Exarcheia bei einem Besuch Griechenlands vermieden werden. Stattdessen besser das große Gebiet des Zentrums zwischen der Liosion Straße und der Patision Straße entlang gehen und dann vom Omonoia Platz in Richtung Ano Patisia. In diesem Gebiet leben viele Immigrant_Innen und dort kann ein/e Besucher_In regelmäßig unzählige Polizeistreifen sehen (in der Acharnon Straße haben wir im Frühling 2011 einen Polizeiwagen beobachtet, der alle paar Sekunden aufgetaucht ist). Tausende Immigrant_Innen sind gezwungen, unter den demütigensten Bedingungen zu leben, in einem Zustand enormer Angst vor den Polizei und manchmal auch dem griechischen Mob. Dieser “Kriegszustand” wird auch Besucher von Auswärts betreffen- sollte er oder sie etwas griechisch beherrschen und im Zentrum in einen Bus steigen. Dort kann eine moderne Apartheid beobachtet werden, bei der die “Nicht-Griechen” instinktiv die hinteren Reihen des Busses besetzen. Wir würden soweit gehen und sagen, dass es unmöglich ist, irgendeine Form der öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, besonders die sogenannten “Busse des Hasses” ,ohne dass man Gespräche zwischen Griechen mitverfolgen muss, in denen sich über die Notwendigkeit unterhalten wird, “die” (Migranten) dahin zu schicken, wo sie hergekommen sind”. Manchmal werden Besucher sogar in Exarcheia miterleben, wie Ausländer gejagt werden, einige sind afrikanischer Herkunft oder üblicherweise Albanen (um die Jagd mit anarchistischen Kriterien zu vereinbaren, nennen diese Anarchist_Innen die Albanen “Drogenmafia”- in Unterhaltungen mit griechischen Anarchist_Innen werden sie auch als “albanische Mafia” bezeichnet.

Als Gegenmittel zu diesen vergifteten Erfahrungen scheinen unsere wenigen praktischen Antworten auf die griechische Gewalt kaum erfolgsversprechend zu sein. In einer Umgebung, in der die radikale Szene auch mit rassistischen Stereotypen oder sogar Angriffen auf Ausländern kompatibel ist, sind die Möglichkeiten potentieller politischer Bündnisse immer beschränkter. Nicht weil wir unseren Standard geändert hätten, sondern weil sogar selbsternannte Antifaschist_Innen Gründe entdecken, den armen Griechen zu bemitleiden, der sich an der Theke keinen zweiten Drink bestellen kann und so weiter und so fort.

Wähle Nazis oder greif Migrant_Innen an. Ihr könnt euch vorstellen, dass es nich einfach ist, ein Bündnis mit jemandem einzugehen, der Mitleid für die soziale Schicht empfindet, die ihre Wähler_Innen aus Neonazis rekrutiert und dich danach abstechen will. Solche Bündnisse können nur von Griechen eingegangen werden, die sich keine Sorgen um das Überleben in Griechenland machen müssen. “Deutsche Solidarität mit Griechen” wie die M 31 Proteste sind der konsequente Versuch einer folkloristischen Idealisierung des Mobs mit patriotischen Molotov Cocktails und antisemitischem Gedankengut und das sind faktisch die Empörten und ihre anti-autoritären Freunde. Welcher Raum bleibt also übrig unter diesen entmutigenden Umständen? Bezieht man die wachsende politische Einsamkeit mit ein, so bleiben nicht viele Möglichkeiten für politische Interventionen. Wir konzentrieren uns auf die Schaffung eines Bewusstseins für den wachsenden Rassismus und Antisemitismus. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von vier Publikationen zu diesen Themen veröffentlicht. Vom letzten Jahr bis heute wurden tausende Plakate im Stadtzentrum und weiteren Nachbarschaften verteilt. Wir versuchen mit unserem Antifaschismus hauptsächlich Immigranten der zweiten Generation zu erreichen, weil wir das Gefühl haben, mit ihnen mehr teilen zu können, und wir wissen, dass unser “Antifaschismus” echter ist, weil er aus einer Notwendigkeit entspringt und nicht aus einem politischen Antagonismus mit den griechischen Faschisten, was auch immer dieses Wort bedeuten mag. Mit unserer politischen Agenda versuchen wir darüber hinaus, feministische und anti-homophobe Politik zu unterstützen, besonders wenn diese anschlussfähig an den gegenwärtigen Antikapitalismus und Antinationalismus ist.

Zum Beispiel fördern wir eine feministische Perspektive gegen die dominierende “macho Antifa” Einstellung, sei es durch das Publizieren von Texten oder durch die Entwicklung politischer Projekte, die eine konkretere Artikulation von den Problemfeldern Geschlechterverhältnisse und Nation anbieten.

Wie ihr vielleicht bereits festgestellen konntet, haben wir schon lange damit aufgehört, unsere Zeit mit der “Veränderung von Herzen und Gedanken” von denen zu verschwenden, die sich griechisch fühlen, entweder innerhalb der Szene oder außerhalb. Das ist der Grund, warum ihr neben unserem Gruppenlogo einen unserer neusten Slogans findet: “ Strengstens für Nicht-Griechen”!

Antifa Negative, February 2013Ein Artikel über den Aufstieg des Nationalismus in Griechenland, unsere Erfahrungen und politische Praxis dagegen, Februar 2013

In griechischen und internationalen Medien hat eine Debatte über den Aufstieg des Nationalismus im geographischen Raum, genannt Griechenland, stattgefunden. Zugegebenermaßen, hat es einen Anstieg des Nationalismus in dem geographischen Gebiet des südlichen Balkans gegeben, aber was uns besorgt ist, dass die Analysen und Teilnehmer_innen der relevanten Debatten sich erst vor wenigen Monaten auf das Phänomen bezogen haben. Nichtsdestotrotz machen wir das Phänomen des Aufstieg des Nationalismus in Griechenland irgendwo zwischen den 1820er und 1830er Jahren aus. Übertreibung ist ein schlechter Ratgeber, um also etwas Ruhm für unsere Position zu ernten, müssen wir euch daran erinnern, dass die griechische Nationalhymne ein Gedicht ist, das die erste Massenabschlachtung von Ausländern feiert (30 000 Muslime und Juden türksicher Herkunft in der Eroberung der Stadt Tripolis). Während der Jahre der “Befreiung” von den Türken fand diese im griechischen geographischen Gelände statt. Wir könnten an dieser Stelle auf weitere Vorfälle eingehen, bei denen sogenannte “Griechen” im Namen des brandneuen Nationalstaates gemordert haben um ihre Grenzen zu erweitern und/oder nur aus Spaß.

Doch werden wir uns auf entscheidende Elemente des griechischen Nationalismus in Beziehung zu Anderen beschränken, um euch ein konkreteres Bild liefern zu können.

A) Die Opferrolle der Griechen: ein neustes Beispiel von den 2000er Jahren ist, dass sich die Griechen in den meisten Umfragen als Inhaber_innen der Gastfreundschaft ansehen. Filoxenia ist letzlich ein weiterer nationaler Mythos, den sie nur zu gern glauben würden und meint wörtlich übersetzt „Ausländer zu lieben“. Gleichzeitig argumentieren die Griechen in sehr kleinen Umfragen, dass alle Ausländer Griechenland verlassen sollten, da Ausländer- darunter hauptsächlich Migrant_Innen- die angesprochende Gastfreundschaft ausnutzen würden und darüber hinaus die Griechen in ihrem eigenen Land in die Opferrolle drängen. Natürlich ist die selbst auferlegte Opferrolle ein sehr viel entscheidenderes Element im griechischen Nationalismus und weist gewissermaßen eine historische Kontinuität auf.
Griechenland wird bei der Vorstellung angegriffen zu werden zunehmend aggressiver, entweder von Staaten mit weniger Macht (Bsp. Türkey, Bulgarien) oder Super-Mächte (v.a. USA). Auf diese Weise zeigen sich Verschwörungstheorien neben nationalistischen Erzählweisen in der täglichen Anwendung nationaler Rhetorik.

B) Auf Homogenität beharren: Griechenland besteht vermutlich zu 97% aus Christlich Orthodoxen und eine der größten Sorgen des Staates ist die Erhaltung der national-religiösen Integrität und Homogenität. Offensichtlich werden griechische Juden, aber auch die wenigen griechischen Katholiken oder Muslime nicht als 100% griechisch angesehen oder überhaupt nicht als Griechen betrachtet. Ein weiteres Beispiel zeigt Folgendes: obwohl Tausende Immigrant_Innen heutzutage in Griechenland leben,gibt der Staat zusammen mit den orthodoxen Kirchen sein Bestes , um den Bau einer Moschee in Athen zu verzögern. Darüber hinaus wird die nationale Erzählung des Bevölkerungsproblem Griechenlands “dimografiko” regelmäßig in den Parlamenten und Massenmedien verbreitet.

Das Problem besteht darin, dass Griechen eine sehr viel niedrigere Geburtenrate als die Migrant_Innen oder Türken haben!

C) Die 3000 jährige Kontinuität der griechischen Zivilisation: Griechen glauben-das ist die offizielle nationalstaatliche Erzählung- dass von 1821 an, also die frühen Jahre des griechischen Staates nichts anderes als die dritte Periode der Gegenwart des historischen “Volkes” der Griechen und ihrem Staat ist. Die erste Periode kann vermutlich bis zum antiken Athen zurückverfogt werden, während die zweite Periode in der byzantischen Zivilisation liegt, was offensichtlich die Fortsetzung des römischen Reiches ist. So erklärt sich eine große Sorge der Griechen, die in dem Beweis liegt, dass Alexander der Große durch griechisches Sperma gezeugt wurde (und nicht slawisches!). Somit wird ersichtlich, warum die griechische Bevölkerung so viel Wert darauf legt, ihre Abstammung zu belegen: durch einen seit 2000 Jahren toten Mann.

Wir glauben, schon eine bestimmte Art und Weise unserer politischen Sichtweise enthüllt zu haben. So wollen wir die Geschichte in unseren politischen Einschätzungen, Analysen und Aktivitäten erfassen. Wir legen viel Wert darauf, weil es in dem geographischen Raum, in dem wir leben nicht üblich ist. Ein gewisser Gedächtnisverlust oder selektive Amnesie sind nötige nationale Charakteristika in diesem Land , ganz gleich ob man sich mit den Massenmedien oder alternativen/subversiven Medien auseinandersetzt.

Dies ist der Hauptgrund, warum man heutzutage von dem Aufstieg des Nationalismus in Griechenland reden kann. Eine Person, die dieses Diskussionsthema heute “entdeckt”, scheint zu vergessen, sei es unbewusst oder eine bewusste Entscheidung, dass Nationalismus (und Faschismus und Rassismus) und Griechenland seit Jahren eine abenteuerliche Affäire haben. In dieser langen und abenteuerlichen Geschichte sollten wir uns auf die letzten zwanzig Jahre dieser glücklich verbrachten griechischen Existenz konzentrieren, um euch ein genaueres Bild davon zu geben, wie die Griechen ihre nationale Gemeinschaft geniessen. Unser Schwerpunkt der letzten 20 Jahre ist mit großen Verschiebungen in der griechischen Gesellschaft verbunden. Eine davon ist der massive Zustrom von Migrant_Innen aus Osteuropa während der frühen 90er Jahre. In dieser Zeit und bis in die jüngste Vergangenheit hinein lautete die Hauptdevise im griechischen öffentlichen Diskurs “Griechen sind keine Rassisten” und eine ähnliche Version “Griechen waren keine Rassisten bis die Ausländer gekommen sind!”. Tatsächlich ist Griechenland ein Land, in dem ethnische und religiöse Minderheiten entweder gewalttätig “hellenisiert” , unterdrückt, wenn möglich ausgewiesen, oder im Falle der Juden vernichtet (86% der griechischen Juden sind im Holocaust gestorben) werden.
Als Albaner, Bulgaren und Andere nach Griechenland gekommen sind, hatten die Griechen schon Erfahrungen im Umgang mit den “Anderen”, wie sich in den anti-albanischen Pogromen gezeigt hat. Diese fanden 2004 in ganz Griechenland statt (ein Toter, 300 Verletzte Albanen in der Nacht des 4. September). Einmal mehr wurden Rassismus und Griechenland ihrer jahrelangen Beziehung gerecht.

Nichtsdestotrotz hat es seit 2006 einen Wandel gegeben, aber dieser Wandel sollte nicht“Aufstieg des Nationalismus” genannt werden, da dies impliziert, dass der Nationalismus die vergangenen Jahre geruht hätte. Die Jahre nach den Dezember Aufständen können als anhaltende Aufstandsbekämpfung bezeichnet werden. Mit der Kathimerini Zeitung in Zusammenhang gebrachte rechte Professoren versuchten die Dezember Aufstände als letzten Ausdruck einer dominaten Kultur der Anomie und Gewalt zu verklären, welche man mit der nicht vorhandenen Hegenomie der Linken oder im extremeren Fall der Demenz einer Ottoman-Orientalen Natur der griechischen Gesellschaft und seiner Verweigerung der Modernisierung zusgeschrieben hat.

Umgehend nach dem “Skandal” der Dezember Aufstände kämpften Schüler_Innen zusammen mit Sans-Papier Migranten und Fußball-Hooligans, eine zweite Welle von Protesten und Aufständen der muslimischen Migranten folgte, nachdem ein griechischer Polizist den Koran zerrissen hatte. Die Agenda des rechten Flügels wurde daher mit anti-Islamischer Rhetorik verstärkt, was seine eigenen tiefen Wurzeln in der griechischen Gesellschaft findet.
Gegen diese gänzlich vergiftete Atmosphäre begannen im März 2011 300 Migrant_Innen aus Maghreb einen Hungerstreik und verlangten die Legalisierung nicht nur für sich selbst sondern für alle Migranten. Nicht lange nach dem Ende des Hungerstreiks demonstrierten die Griechen ihre Macht durch einen blutigen Pogrom gegen Migranten im Zentrum von Athen (Ein Toter, hunderte Verletzte). Während dieser Tage im Mai 2011, begannen die Faschisten mehr und mehr Menschen des rassistischen Mobs, der im Zentrum von Athen lebt, zu rekrutieren Der Pogrom war wieder einmal prinzipiell gegen Muslime und dann gegen afrikanische Migrant_Innen gerichtet. Der Druck auf die Migrant_Innen wurde erhöht, die Polizei machte gemeinsame Sache mit dem Mob. Im Stadtzentrum nahmen Durchsuchungen und Kontrollen basierend auf der Hautfarbe der Migrant_Innen zu. Es soll erwähnt sein, dass die gewalttätigen Angriffe, von denen dutzende eigentlich Messerstechereien waren, zur gleichen Zeit stattfanden, zu der sich die “glorreiche Bewegung” der Empörten auf dem Syntagma Platz formiert hat. In die Quere sind sie sich nicht gekommen, obwohl die Attacken nur einen Kilometer entfernt waren.

Mit der Bewegung der Empörten, ging die griechische Politik einen Schritt auf die goldene Morgenröte zu. Nicht in der Weise, dass die goldene Morgenröte eine bestimmte extreme politische Fraktion repräsentiert, die einige Menschen beeinflusst, eine Mehrheit etc .

Wir glauben, dass Populismus, Verschwörungen, die Übertragung von individuellen Gedanken und Verantwortlichkeiten auf die “Gurus” (Ökonomen) der Bewegung, die Missgunst für die griechische Krise, die sich auf die “Ausländer” überträgt (IMF, Europäer, Deutsche,etc) die generell ausschließende Einstellung gegenüber Migrant_Innen, die Ansicht, dass die Krise national gedeutet und begriffen werde solle, die Abwehrhaltung bis zur Ablehnung von Privilegien, kleinbürgerlich oder nicht, existierte bereits lange Zeit vor dem Auftreten der Krise. All diese Grundbestandteile stinken nach griechischem Faschismus , auf einer sozialen und molekularen Ebene.

Populismus ist ein Meer von Deutungen, in dem Faschisten leichter schwimmen. Dieses Spiel wurde in sehr schmutzigem Wasser gespielt, nicht in offiziellen Programmen der einen oder anderen Partei oder Organisation. Parteiprogramme, so wie Parteien an sich, waren bei den Empörten nicht gerade hoch im Kurs. Politik im formalen Sinne wurde abgelehnt, wenigstens bis zur nächsten Wahl. Anarchist_Innen, zumindest die miserabelsten unter ihnen, die sogenannten “sozialen” Anarchist_Innen fielen auf diese , “direkte Demokratie” Art des sozialen Faschismus herein, in dem sie der Syntagma “Wäsche” noch etwas rot-schwarze Farbe hinzufügten. Es war also in dieser Zeit schwierig, in den Programmen von Teilnehmer_Innen der Bewegung etwas buchstäblich rassistisches auszumachen.

Die Empörten selbst hatten kein Gesamtprogramm. Ein Jahr später, als die Wahlen bevorstanden, beteiligten sich die lokalen Stars des Syntagma Platzes an den Wahlen, wie der hoch geschätzte Dimitris Kazakis, ein weiterer Ökonomie-Guru der Bewegung und machten das Ganze konkreter: Herr Kazakis machte für die Wahlen gemeinsame Sache mit einem rechten Politiker und unterbreitete in dem Pamphlet der Vorwahlen, dass die Juden in Griechenland endlich besteuert werden müssten, so dass die Griechen das Memorandum des IWF vermeiden könnten. Natürlich sind die griechischen Juden bereits besteuert, aber ihr müsstet mittlerweile wissen, dass kein Antisemit mit rationalen Argumenten bekämpft werden kann, besonders wenn dieser von Tausendenden bejubelt wird. Bei den Wahlen konnten Herr Kazakis und seine Partei 60.000 Stimmen gewinnen, eigentlich nicht viele, aber dies ist auch ein Ergebnis der Mehrfachteilung der Stimmen des rechten Flügels in bestimmte Wahlen (das andere Bündnis bestand aus unabhängigen Griechen: 670.000 Stimmen, Neonazis: 440.000 Stimmen, orthodoxer Volksalarm 90.000 Stimmen, während ein Großteil der Griechen des rechten Flügels traditionell die konservative Nea Dimokratia Partei wählte (1.800.000), welche am Ende die Führung der gegenwärtigen Regierung übernommen hat.

Man kann den Griechen vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht großzügig mit ihren Idolen und ihrer Avantgarde umzugehen… Wir glauben das ist der Grund, warum wir jetzt die Neonazis der Goldenen Morgenröte mit einer Belohnung (für ihre Beteiligung am Pogrom) von 7% in den nationalen Wahlen vom Mai/Juni 2012 sehen und einem stabilem Platz im nationalen Parlament.

Die Idee ist also, dass die Goldene Morgenröte nur ihr aktivistisches Potential und ihre Handlungen der letzten fünf Jahre ausnutzt. Allerdings lässt sich der Rassismus und Nationalismus entsprechend der Goldenen Morgenröte nicht verstehen, da nur ein sehr geringer Teil von Rassisten in der griechischen Gesellschaft der Swastika folgt (nur 7%!). Der Rest findet Glaube und Zuneigung in der warmen nationalistischen Umarmung sogenannter traditioneller Parteien. Lasst uns nicht vergessen, dass natürlich abgesehen von der halben Million Griechen, die für die Neonazis gestimmt haben, in Wahlen vom Mai/Juni 2012 eine weitere offen rechte Partei aufgetaucht ist (zum ersten Mal!) und ebenfalls eine halbe Million Wählerstimmen erhalten hat! Es war die Partei der “Unabhängigen Griechen”, welche Probleme der nationalen Unabhängigkeit und Sicherheit thematisiert (das schließt die anti-immigrantische Agenda mit ein ).

Es ist wohl aus dem Vorangegangen ersichtlich, dass die griechische Erfahrung eine einmalige ist. Also wenn jemand den täglichen Höllenritt wagen möchte, sollte Exarcheia bei einem Besuch Griechenlands vermieden werden. Stattdessen besser das große Gebiet des Zentrums zwischen der Liosion Straße und der Patision Straße entlang gehen und dann vom Omonoia Platz in Richtung Ano Patisia. In diesem Gebiet leben viele Immigrant_Innen und dort kann ein/e Besucher_In regelmäßig unzählige Polizeistreifen sehen (in der Acharnon Straße haben wir im Frühling 2011 einen Polizeiwagen beobachtet, der alle paar Sekunden aufgetaucht ist). Tausende Immigrant_Innen sind gezwungen, unter den demütigensten Bedingungen zu leben, in einem Zustand enormer Angst vor den Polizei und manchmal auch dem griechischen Mob. Dieser “Kriegszustand” wird auch Besucher von Auswärts betreffen- sollte er oder sie etwas griechisch beherrschen und im Zentrum in einen Bus steigen. Dort kann eine moderne Apartheid beobachtet werden, bei der die “Nicht-Griechen” instinktiv die hinteren Reihen des Busses besetzen. Wir würden soweit gehen und sagen, dass es unmöglich ist, irgendeine Form der öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, besonders die sogenannten “Busse des Hasses” ,ohne dass man Gespräche zwischen Griechen mitverfolgen muss, in denen sich über die Notwendigkeit unterhalten wird, “die” (Migranten) dahin zu schicken, wo sie hergekommen sind”. Manchmal werden Besucher sogar in Exarcheia miterleben, wie Ausländer gejagt werden, einige sind afrikanischer Herkunft oder üblicherweise Albanen (um die Jagd mit anarchistischen Kriterien zu vereinbaren, nennen diese Anarchist_Innen die Albanen “Drogenmafia”- in Unterhaltungen mit griechischen Anarchist_Innen werden sie auch als “albanische Mafia” bezeichnet.

Als Gegenmittel zu diesen vergifteten Erfahrungen scheinen unsere wenigen praktischen Antworten auf die griechische Gewalt kaum erfolgsversprechend zu sein. In einer Umgebung, in der die radikale Szene auch mit rassistischen Stereotypen oder sogar Angriffen auf Ausländern kompatibel ist, sind die Möglichkeiten potentieller politischer Bündnisse immer beschränkter. Nicht weil wir unseren Standard geändert hätten, sondern weil sogar selbsternannte Antifaschist_Innen Gründe entdecken, den armen Griechen zu bemitleiden, der sich an der Theke keinen zweiten Drink bestellen kann und so weiter und so fort.

Wähle Nazis oder greif Migrant_Innen an. Ihr könnt euch vorstellen, dass es nich einfach ist, ein Bündnis mit jemandem einzugehen, der Mitleid für die soziale Schicht empfindet, die ihre Wähler_Innen aus Neonazis rekrutiert und dich danach abstechen will. Solche Bündnisse können nur von Griechen eingegangen werden, die sich keine Sorgen um das Überleben in Griechenland machen müssen. “Deutsche Solidarität mit Griechen” wie die M 31 Proteste sind der konsequente Versuch einer folkloristischen Idealisierung des Mobs mit patriotischen Molotov Cocktails und antisemitischem Gedankengut und das sind faktisch die Empörten und ihre anti-autoritären Freunde. Welcher Raum bleibt also übrig unter diesen entmutigenden Umständen? Bezieht man die wachsende politische Einsamkeit mit ein, so bleiben nicht viele Möglichkeiten für politische Interventionen. Wir konzentrieren uns auf die Schaffung eines Bewusstseins für den wachsenden Rassismus und Antisemitismus. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von vier Publikationen zu diesen Themen veröffentlicht. Vom letzten Jahr bis heute wurden tausende Plakate im Stadtzentrum und weiteren Nachbarschaften verteilt. Wir versuchen mit unserem Antifaschismus hauptsächlich Immigranten der zweiten Generation zu erreichen, weil wir das Gefühl haben, mit ihnen mehr teilen zu können, und wir wissen, dass unser “Antifaschismus” echter ist, weil er aus einer Notwendigkeit entspringt und nicht aus einem politischen Antagonismus mit den griechischen Faschisten, was auch immer dieses Wort bedeuten mag. Mit unserer politischen Agenda versuchen wir darüber hinaus, feministische und anti-homophobe Politik zu unterstützen, besonders wenn diese anschlussfähig an den gegenwärtigen Antikapitalismus und Antinationalismus ist.

Zum Beispiel fördern wir eine feministische Perspektive gegen die dominierende “macho Antifa” Einstellung, sei es durch das Publizieren von Texten oder durch die Entwicklung politischer Projekte, die eine konkretere Artikulation von den Problemfeldern Geschlechterverhältnisse und Nation anbieten.

Wie ihr vielleicht bereits festgestellen konntet, haben wir schon lange damit aufgehört, unsere Zeit mit der “Veränderung von Herzen und Gedanken” von denen zu verschwenden, die sich griechisch fühlen, entweder innerhalb der Szene oder außerhalb. Das ist der Grund, warum ihr neben unserem Gruppenlogo einen unserer neusten Slogans findet: “ Strengstens für Nicht-Griechen”!

Antifa Negative, February 2013Ein Artikel über den Aufstieg des Nationalismus in Griechenland, unsere Erfahrungen und politische Praxis dagegen, Februar 2013

In griechischen und internationalen Medien hat eine Debatte über den Aufstieg des Nationalismus im geographischen Raum, genannt Griechenland, stattgefunden. Zugegebenermaßen, hat es einen Anstieg des Nationalismus in dem geographischen Gebiet des südlichen Balkans gegeben, aber was uns besorgt ist, dass die Analysen und Teilnehmer_innen der relevanten Debatten sich erst vor wenigen Monaten auf das Phänomen bezogen haben. Nichtsdestotrotz machen wir das Phänomen des Aufstieg des Nationalismus in Griechenland irgendwo zwischen den 1820er und 1830er Jahren aus. Übertreibung ist ein schlechter Ratgeber, um also etwas Ruhm für unsere Position zu ernten, müssen wir euch daran erinnern, dass die griechische Nationalhymne ein Gedicht ist, das die erste Massenabschlachtung von Ausländern feiert (30 000 Muslime und Juden türksicher Herkunft in der Eroberung der Stadt Tripolis). Während der Jahre der “Befreiung” von den Türken fand diese im griechischen geographischen Gelände statt. Wir könnten an dieser Stelle auf weitere Vorfälle eingehen, bei denen sogenannte “Griechen” im Namen des brandneuen Nationalstaates gemordert haben um ihre Grenzen zu erweitern und/oder nur aus Spaß.

Doch werden wir uns auf entscheidende Elemente des griechischen Nationalismus in Beziehung zu Anderen beschränken, um euch ein konkreteres Bild liefern zu können.

A) Die Opferrolle der Griechen: ein neustes Beispiel von den 2000er Jahren ist, dass sich die Griechen in den meisten Umfragen als Inhaber_innen der Gastfreundschaft ansehen. Filoxenia ist letzlich ein weiterer nationaler Mythos, den sie nur zu gern glauben würden und meint wörtlich übersetzt „Ausländer zu lieben“. Gleichzeitig argumentieren die Griechen in sehr kleinen Umfragen, dass alle Ausländer Griechenland verlassen sollten, da Ausländer- darunter hauptsächlich Migrant_Innen- die angesprochende Gastfreundschaft ausnutzen würden und darüber hinaus die Griechen in ihrem eigenen Land in die Opferrolle drängen. Natürlich ist die selbst auferlegte Opferrolle ein sehr viel entscheidenderes Element im griechischen Nationalismus und weist gewissermaßen eine historische Kontinuität auf.
Griechenland wird bei der Vorstellung angegriffen zu werden zunehmend aggressiver, entweder von Staaten mit weniger Macht (Bsp. Türkey, Bulgarien) oder Super-Mächte (v.a. USA). Auf diese Weise zeigen sich Verschwörungstheorien neben nationalistischen Erzählweisen in der täglichen Anwendung nationaler Rhetorik.

B) Auf Homogenität beharren: Griechenland besteht vermutlich zu 97% aus Christlich Orthodoxen und eine der größten Sorgen des Staates ist die Erhaltung der national-religiösen Integrität und Homogenität. Offensichtlich werden griechische Juden, aber auch die wenigen griechischen Katholiken oder Muslime nicht als 100% griechisch angesehen oder überhaupt nicht als Griechen betrachtet. Ein weiteres Beispiel zeigt Folgendes: obwohl Tausende Immigrant_Innen heutzutage in Griechenland leben,gibt der Staat zusammen mit den orthodoxen Kirchen sein Bestes , um den Bau einer Moschee in Athen zu verzögern. Darüber hinaus wird die nationale Erzählung des Bevölkerungsproblem Griechenlands “dimografiko” regelmäßig in den Parlamenten und Massenmedien verbreitet.

Das Problem besteht darin, dass Griechen eine sehr viel niedrigere Geburtenrate als die Migrant_Innen oder Türken haben!

C) Die 3000 jährige Kontinuität der griechischen Zivilisation: Griechen glauben-das ist die offizielle nationalstaatliche Erzählung- dass von 1821 an, also die frühen Jahre des griechischen Staates nichts anderes als die dritte Periode der Gegenwart des historischen “Volkes” der Griechen und ihrem Staat ist. Die erste Periode kann vermutlich bis zum antiken Athen zurückverfogt werden, während die zweite Periode in der byzantischen Zivilisation liegt, was offensichtlich die Fortsetzung des römischen Reiches ist. So erklärt sich eine große Sorge der Griechen, die in dem Beweis liegt, dass Alexander der Große durch griechisches Sperma gezeugt wurde (und nicht slawisches!). Somit wird ersichtlich, warum die griechische Bevölkerung so viel Wert darauf legt, ihre Abstammung zu belegen: durch einen seit 2000 Jahren toten Mann.

Wir glauben, schon eine bestimmte Art und Weise unserer politischen Sichtweise enthüllt zu haben. So wollen wir die Geschichte in unseren politischen Einschätzungen, Analysen und Aktivitäten erfassen. Wir legen viel Wert darauf, weil es in dem geographischen Raum, in dem wir leben nicht üblich ist. Ein gewisser Gedächtnisverlust oder selektive Amnesie sind nötige nationale Charakteristika in diesem Land , ganz gleich ob man sich mit den Massenmedien oder alternativen/subversiven Medien auseinandersetzt.

Dies ist der Hauptgrund, warum man heutzutage von dem Aufstieg des Nationalismus in Griechenland reden kann. Eine Person, die dieses Diskussionsthema heute “entdeckt”, scheint zu vergessen, sei es unbewusst oder eine bewusste Entscheidung, dass Nationalismus (und Faschismus und Rassismus) und Griechenland seit Jahren eine abenteuerliche Affäire haben. In dieser langen und abenteuerlichen Geschichte sollten wir uns auf die letzten zwanzig Jahre dieser glücklich verbrachten griechischen Existenz konzentrieren, um euch ein genaueres Bild davon zu geben, wie die Griechen ihre nationale Gemeinschaft geniessen. Unser Schwerpunkt der letzten 20 Jahre ist mit großen Verschiebungen in der griechischen Gesellschaft verbunden. Eine davon ist der massive Zustrom von Migrant_Innen aus Osteuropa während der frühen 90er Jahre. In dieser Zeit und bis in die jüngste Vergangenheit hinein lautete die Hauptdevise im griechischen öffentlichen Diskurs “Griechen sind keine Rassisten” und eine ähnliche Version “Griechen waren keine Rassisten bis die Ausländer gekommen sind!”. Tatsächlich ist Griechenland ein Land, in dem ethnische und religiöse Minderheiten entweder gewalttätig “hellenisiert” , unterdrückt, wenn möglich ausgewiesen, oder im Falle der Juden vernichtet (86% der griechischen Juden sind im Holocaust gestorben) werden.
Als Albaner, Bulgaren und Andere nach Griechenland gekommen sind, hatten die Griechen schon Erfahrungen im Umgang mit den “Anderen”, wie sich in den anti-albanischen Pogromen gezeigt hat. Diese fanden 2004 in ganz Griechenland statt (ein Toter, 300 Verletzte Albanen in der Nacht des 4. September). Einmal mehr wurden Rassismus und Griechenland ihrer jahrelangen Beziehung gerecht.

Nichtsdestotrotz hat es seit 2006 einen Wandel gegeben, aber dieser Wandel sollte nicht“Aufstieg des Nationalismus” genannt werden, da dies impliziert, dass der Nationalismus die vergangenen Jahre geruht hätte. Die Jahre nach den Dezember Aufständen können als anhaltende Aufstandsbekämpfung bezeichnet werden. Mit der Kathimerini Zeitung in Zusammenhang gebrachte rechte Professoren versuchten die Dezember Aufstände als letzten Ausdruck einer dominaten Kultur der Anomie und Gewalt zu verklären, welche man mit der nicht vorhandenen Hegenomie der Linken oder im extremeren Fall der Demenz einer Ottoman-Orientalen Natur der griechischen Gesellschaft und seiner Verweigerung der Modernisierung zusgeschrieben hat.

Umgehend nach dem “Skandal” der Dezember Aufstände kämpften Schüler_Innen zusammen mit Sans-Papier Migranten und Fußball-Hooligans, eine zweite Welle von Protesten und Aufständen der muslimischen Migranten folgte, nachdem ein griechischer Polizist den Koran zerrissen hatte. Die Agenda des rechten Flügels wurde daher mit anti-Islamischer Rhetorik verstärkt, was seine eigenen tiefen Wurzeln in der griechischen Gesellschaft findet.
Gegen diese gänzlich vergiftete Atmosphäre begannen im März 2011 300 Migrant_Innen aus Maghreb einen Hungerstreik und verlangten die Legalisierung nicht nur für sich selbst sondern für alle Migranten. Nicht lange nach dem Ende des Hungerstreiks demonstrierten die Griechen ihre Macht durch einen blutigen Pogrom gegen Migranten im Zentrum von Athen (Ein Toter, hunderte Verletzte). Während dieser Tage im Mai 2011, begannen die Faschisten mehr und mehr Menschen des rassistischen Mobs, der im Zentrum von Athen lebt, zu rekrutieren Der Pogrom war wieder einmal prinzipiell gegen Muslime und dann gegen afrikanische Migrant_Innen gerichtet. Der Druck auf die Migrant_Innen wurde erhöht, die Polizei machte gemeinsame Sache mit dem Mob. Im Stadtzentrum nahmen Durchsuchungen und Kontrollen basierend auf der Hautfarbe der Migrant_Innen zu. Es soll erwähnt sein, dass die gewalttätigen Angriffe, von denen dutzende eigentlich Messerstechereien waren, zur gleichen Zeit stattfanden, zu der sich die “glorreiche Bewegung” der Empörten auf dem Syntagma Platz formiert hat. In die Quere sind sie sich nicht gekommen, obwohl die Attacken nur einen Kilometer entfernt waren.

Mit der Bewegung der Empörten, ging die griechische Politik einen Schritt auf die goldene Morgenröte zu. Nicht in der Weise, dass die goldene Morgenröte eine bestimmte extreme politische Fraktion repräsentiert, die einige Menschen beeinflusst, eine Mehrheit etc .

Wir glauben, dass Populismus, Verschwörungen, die Übertragung von individuellen Gedanken und Verantwortlichkeiten auf die “Gurus” (Ökonomen) der Bewegung, die Missgunst für die griechische Krise, die sich auf die “Ausländer” überträgt (IMF, Europäer, Deutsche,etc) die generell ausschließende Einstellung gegenüber Migrant_Innen, die Ansicht, dass die Krise national gedeutet und begriffen werde solle, die Abwehrhaltung bis zur Ablehnung von Privilegien, kleinbürgerlich oder nicht, existierte bereits lange Zeit vor dem Auftreten der Krise. All diese Grundbestandteile stinken nach griechischem Faschismus , auf einer sozialen und molekularen Ebene.

Populismus ist ein Meer von Deutungen, in dem Faschisten leichter schwimmen. Dieses Spiel wurde in sehr schmutzigem Wasser gespielt, nicht in offiziellen Programmen der einen oder anderen Partei oder Organisation. Parteiprogramme, so wie Parteien an sich, waren bei den Empörten nicht gerade hoch im Kurs. Politik im formalen Sinne wurde abgelehnt, wenigstens bis zur nächsten Wahl. Anarchist_Innen, zumindest die miserabelsten unter ihnen, die sogenannten “sozialen” Anarchist_Innen fielen auf diese , “direkte Demokratie” Art des sozialen Faschismus herein, in dem sie der Syntagma “Wäsche” noch etwas rot-schwarze Farbe hinzufügten. Es war also in dieser Zeit schwierig, in den Programmen von Teilnehmer_Innen der Bewegung etwas buchstäblich rassistisches auszumachen.

Die Empörten selbst hatten kein Gesamtprogramm. Ein Jahr später, als die Wahlen bevorstanden, beteiligten sich die lokalen Stars des Syntagma Platzes an den Wahlen, wie der hoch geschätzte Dimitris Kazakis, ein weiterer Ökonomie-Guru der Bewegung und machten das Ganze konkreter: Herr Kazakis machte für die Wahlen gemeinsame Sache mit einem rechten Politiker und unterbreitete in dem Pamphlet der Vorwahlen, dass die Juden in Griechenland endlich besteuert werden müssten, so dass die Griechen das Memorandum des IWF vermeiden könnten. Natürlich sind die griechischen Juden bereits besteuert, aber ihr müsstet mittlerweile wissen, dass kein Antisemit mit rationalen Argumenten bekämpft werden kann, besonders wenn dieser von Tausendenden bejubelt wird. Bei den Wahlen konnten Herr Kazakis und seine Partei 60.000 Stimmen gewinnen, eigentlich nicht viele, aber dies ist auch ein Ergebnis der Mehrfachteilung der Stimmen des rechten Flügels in bestimmte Wahlen (das andere Bündnis bestand aus unabhängigen Griechen: 670.000 Stimmen, Neonazis: 440.000 Stimmen, orthodoxer Volksalarm 90.000 Stimmen, während ein Großteil der Griechen des rechten Flügels traditionell die konservative Nea Dimokratia Partei wählte (1.800.000), welche am Ende die Führung der gegenwärtigen Regierung übernommen hat.

Man kann den Griechen vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie nicht großzügig mit ihren Idolen und ihrer Avantgarde umzugehen… Wir glauben das ist der Grund, warum wir jetzt die Neonazis der Goldenen Morgenröte mit einer Belohnung (für ihre Beteiligung am Pogrom) von 7% in den nationalen Wahlen vom Mai/Juni 2012 sehen und einem stabilem Platz im nationalen Parlament.

Die Idee ist also, dass die Goldene Morgenröte nur ihr aktivistisches Potential und ihre Handlungen der letzten fünf Jahre ausnutzt. Allerdings lässt sich der Rassismus und Nationalismus entsprechend der Goldenen Morgenröte nicht verstehen, da nur ein sehr geringer Teil von Rassisten in der griechischen Gesellschaft der Swastika folgt (nur 7%!). Der Rest findet Glaube und Zuneigung in der warmen nationalistischen Umarmung sogenannter traditioneller Parteien. Lasst uns nicht vergessen, dass natürlich abgesehen von der halben Million Griechen, die für die Neonazis gestimmt haben, in Wahlen vom Mai/Juni 2012 eine weitere offen rechte Partei aufgetaucht ist (zum ersten Mal!) und ebenfalls eine halbe Million Wählerstimmen erhalten hat! Es war die Partei der “Unabhängigen Griechen”, welche Probleme der nationalen Unabhängigkeit und Sicherheit thematisiert (das schließt die anti-immigrantische Agenda mit ein ).

Es ist wohl aus dem Vorangegangen ersichtlich, dass die griechische Erfahrung eine einmalige ist. Also wenn jemand den täglichen Höllenritt wagen möchte, sollte Exarcheia bei einem Besuch Griechenlands vermieden werden. Stattdessen besser das große Gebiet des Zentrums zwischen der Liosion Straße und der Patision Straße entlang gehen und dann vom Omonoia Platz in Richtung Ano Patisia. In diesem Gebiet leben viele Immigrant_Innen und dort kann ein/e Besucher_In regelmäßig unzählige Polizeistreifen sehen (in der Acharnon Straße haben wir im Frühling 2011 einen Polizeiwagen beobachtet, der alle paar Sekunden aufgetaucht ist). Tausende Immigrant_Innen sind gezwungen, unter den demütigensten Bedingungen zu leben, in einem Zustand enormer Angst vor den Polizei und manchmal auch dem griechischen Mob. Dieser “Kriegszustand” wird auch Besucher von Auswärts betreffen- sollte er oder sie etwas griechisch beherrschen und im Zentrum in einen Bus steigen. Dort kann eine moderne Apartheid beobachtet werden, bei der die “Nicht-Griechen” instinktiv die hinteren Reihen des Busses besetzen. Wir würden soweit gehen und sagen, dass es unmöglich ist, irgendeine Form der öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, besonders die sogenannten “Busse des Hasses” ,ohne dass man Gespräche zwischen Griechen mitverfolgen muss, in denen sich über die Notwendigkeit unterhalten wird, “die” (Migranten) dahin zu schicken, wo sie hergekommen sind”. Manchmal werden Besucher sogar in Exarcheia miterleben, wie Ausländer gejagt werden, einige sind afrikanischer Herkunft oder üblicherweise Albanen (um die Jagd mit anarchistischen Kriterien zu vereinbaren, nennen diese Anarchist_Innen die Albanen “Drogenmafia”- in Unterhaltungen mit griechischen Anarchist_Innen werden sie auch als “albanische Mafia” bezeichnet.

Als Gegenmittel zu diesen vergifteten Erfahrungen scheinen unsere wenigen praktischen Antworten auf die griechische Gewalt kaum erfolgsversprechend zu sein. In einer Umgebung, in der die radikale Szene auch mit rassistischen Stereotypen oder sogar Angriffen auf Ausländern kompatibel ist, sind die Möglichkeiten potentieller politischer Bündnisse immer beschränkter. Nicht weil wir unseren Standard geändert hätten, sondern weil sogar selbsternannte Antifaschist_Innen Gründe entdecken, den armen Griechen zu bemitleiden, der sich an der Theke keinen zweiten Drink bestellen kann und so weiter und so fort.

Wähle Nazis oder greif Migrant_Innen an. Ihr könnt euch vorstellen, dass es nich einfach ist, ein Bündnis mit jemandem einzugehen, der Mitleid für die soziale Schicht empfindet, die ihre Wähler_Innen aus Neonazis rekrutiert und dich danach abstechen will. Solche Bündnisse können nur von Griechen eingegangen werden, die sich keine Sorgen um das Überleben in Griechenland machen müssen. “Deutsche Solidarität mit Griechen” wie die M 31 Proteste sind der konsequente Versuch einer folkloristischen Idealisierung des Mobs mit patriotischen Molotov Cocktails und antisemitischem Gedankengut und das sind faktisch die Empörten und ihre anti-autoritären Freunde. Welcher Raum bleibt also übrig unter diesen entmutigenden Umständen? Bezieht man die wachsende politische Einsamkeit mit ein, so bleiben nicht viele Möglichkeiten für politische Interventionen. Wir konzentrieren uns auf die Schaffung eines Bewusstseins für den wachsenden Rassismus und Antisemitismus. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von vier Publikationen zu diesen Themen veröffentlicht. Vom letzten Jahr bis heute wurden tausende Plakate im Stadtzentrum und weiteren Nachbarschaften verteilt. Wir versuchen mit unserem Antifaschismus hauptsächlich Immigranten der zweiten Generation zu erreichen, weil wir das Gefühl haben, mit ihnen mehr teilen zu können, und wir wissen, dass unser “Antifaschismus” echter ist, weil er aus einer Notwendigkeit entspringt und nicht aus einem politischen Antagonismus mit den griechischen Faschisten, was auch immer dieses Wort bedeuten mag. Mit unserer politischen Agenda versuchen wir darüber hinaus, feministische und anti-homophobe Politik zu unterstützen, besonders wenn diese anschlussfähig an den gegenwärtigen Antikapitalismus und Antinationalismus ist.

Zum Beispiel fördern wir eine feministische Perspektive gegen die dominierende “macho Antifa” Einstellung, sei es durch das Publizieren von Texten oder durch die Entwicklung politischer Projekte, die eine konkretere Artikulation von den Problemfeldern Geschlechterverhältnisse und Nation anbieten.

Wie ihr vielleicht bereits festgestellen konntet, haben wir schon lange damit aufgehört, unsere Zeit mit der “Veränderung von Herzen und Gedanken” von denen zu verschwenden, die sich griechisch fühlen, entweder innerhalb der Szene oder außerhalb. Das ist der Grund, warum ihr neben unserem Gruppenlogo einen unserer neusten Slogans findet: “ Strengstens für Nicht-Griechen”!

Antifa Negative, February 2013