Liebe Konkret-Journalisten,
Uns war schon mal die Gunst gewährt worden, Linksdeutschen als folkloristische Attraktion herhalten zu dürfen: vor Kurzem hatten wir das Vergnügen mit unserem balkanischen Extremismus ihre angesehenen Kollegen von der Zeitung Jungle World zu unterhalten.
Etwa zu diesem Zeitpunkt mussten wir aber bedauerlicherweise merken, dass uns die Perseveranz auszugehen drohte, und so trafen wir um unseres delikaten mentalen Gleichgewichts willen die Entscheidung, uns nie wieder um die Angelegenheiten der Antideutschen (soll heißen: Deutschen) zu kümmern.
Ein paar Worte zum journalistischen Ethos der Jungle World-Beschäftigten: Sie stellten zwar Recherchen über Rassismus an und interviewten MigrantInnen, begruben aber unsere Ansichten, indem sie eine pro-griechische außenpolitische vorgehensweise bevorzugten, als wären sie das Außenministerium der deutschen Linken.
Sie haben es irgendwie hingekriegt, ein 3stündiges Interview in gerademal 7 Zeilen wiederzugeben, und das in einem Artikel voller Lobgesänge für den antifaschistischen Widerstand in Griechenland. Dies stellt für uns eine Beleidigung dar, weil sie erstens darin die Tatsaschen über die konstanten Erfolge der Faschisten und die diese unterstützende griechische Gesellschaft verdrehen, und zweitens dies mit dem Ziel tun, ihre eigenen ideologischen Fantasien zu warten und eine Vergrämung ihrer griechischen Freunde abzuwenden.
Sie brachten ein Transparent mit der Aufschrift „wir sind alle Griechen“ auf dem Akropolis-Hügel an (!), obwohl wir – und die MigrantInnen in unserer Gruppe mit aller Vehemenz – sie darauf hingewiesen hatten, dass diese Aktion als eine politische Geste uns nur Schaden bringen und allein dem griechischen antiimperialistischen Nationalismus zugute kommen würde
Sie agierten wie die typischen Mainstream-Reporter, indem sie, um angeblich Recherchen über Angelegenheiten wie Rassismus und Faschismus anzustellen, für 2 Wochen nach Griechenland kamen, 3-4 MigrantInnen interviewten, die sie 3 Tage vor ihrer Rückreise getroffen hatten, nachdem sie sich auf jeder „radikalen“ Technoparty gezeigt hatten.
Sie haben vermieden, über Dinge zu berichten, die in Widerspruch mit ihrer Ideologie standen, so z.B. dass muslimische Migranten es waren, die versucht haben, die in Brand gesteckte Synagoge von Chania (auf Kreta) zu retten. Diese Haltung könnte höchstens mit dem einer rechtsliberalen Zeitung verglichen werden.
In einem dreiviertelstündigen Interview befragten sie die autonome Gruppe terminal-119 über die Verjagung der Drogensüchtigen (vorwiegend MigrantInnen) in Exarcheia und sie verloren in ihrem Bericht kein einziges Wort darüber, obwohl sie hoch und heilig beteuert hatten, das Thema sei für sie sehr wichtig.
Hinzu kommt, dass wir eine negative Erfahrung auch mit der Konkret haben. Ihre Zeitschrift brachte vor einigen Jahren einen schamlosen Propaganda-Artikel von Eberhard Ronholz darüber, wie angeblich die Griechen ihre jüdischen Mitbürger gerettet hätten. Die Kritik darüber seitens der Gruppe terminal-119 wartet immer noch auf Veröffentlichung.
Der Hauptgrund, warum wir uns weigern, ein Interview mit euch zu führen ist, dass wir nicht möchten, das anti-antisemitische Mosaiksteinchen in einem kritiklosen Bild der „radikale Szene in Griechenland“ zu werden, weil dieses Mosaik krasse Gegensätze nebeneinander stellt, d.h. die fanatischen Antisemiten neben ihre Gegner, nur weil dies Ihnen so passt.
Es lohnt sich darüber hinaus zu erwähnen, dass all diese linksradikalen Touristen mit ihrer Sensibilität für den Antisemitismus (in Deutschland) sich über den griechischen Antisemitismus, der ein struktureller und konstitutiver Baustein der Linken und der Anarchisten in Griechenland ist und bleibt, in verdächtigem Schweigen hüllen.
All das demonstriert uns zuverlässigerweise, dass der Antisemitismus der griechischen Linke keine journalistische Erwähnung in den linksradikalen Zeitschriften in Deutschland finden wird,
es sei denn, die griechischen Anarchisten konvertieren zum Islam!
Hochachtungsvoll
Antifa Negative/Casa del Campo, Dezember 2012
PS: Selbstverständlich fordern wir den Abdruck dieses Briefes